Glasfaser für alle bis Ende 2030 – oder wann?
Nach den durch die TKG-Novelle geschaffenen Impulsen für den Glasfaserausbau haben sich Bund und Länder nun geeinigt, den flächendeckenden Ausbau bis Ende 2030 abzuschließen. Wir erinnern uns: 2009 versprach die damalige Bundeskanzlerin eine flächendeckende Breitbandabdeckung für alle bis 2014, weitere Versprechen folgten. 2018 hieß es dann, dass die Ziele bis 2025 nicht mehr erreichbar seien. Aber wird das neu gesteckte Ziel zu halten sein – und wie realistisch ist es?
Fördermittel für den Glasfaserausbau – quo vadis?
Vor allem in ländlichen Gebieten ist ein flächendeckender Glasfaserausbau ohne Fördermittel in der Regel nicht stemmbar. Deshalb sollen ab 2023 die bislang vorhandenen Aufgreifschwellen von 100 Mbit/s wegfallen.
Im Rahmen der Verhandlungen über die Gigabitstrategie des Bundes äußerten die Länder Bedenken, ob der Glasfaserausbau auch mit dem bisherigen Förderregime umgesetzt werden kann, weshalb u.a. der BREKO eine grundlegende Reform gefordert hat.
Bund und Länder sind dem jedoch nicht gefolgt und haben sich nun darauf verständigt, dass die bisherige Förderung im Grundsatz beibehalten werden soll. Immer wieder wurde das Förderregime als zu komplex und zu starr kritisiert. Mittlerweile zeigt sich auch in einigen Fällen, dass die Bewilligungsbehörden penibel die Rückforderungstatbestände kontrollieren und viele Punkte in dem Paragraphendschungel zwischen Förderrichtlinie, Zuwendungsverträgen, Zuwendungsbescheiden und Allgemeinen Verwaltungsvorschriften rechtlich völlig unklar sind.
Es ist bereits fraglich, vor welchem Gericht Streitigkeiten über die Ausschreibungen der Wirtschaftlichkeitslückenförderung bzw. des Betreibermodells geklärt werden müssen. Im vergangenen Jahr hat etwa das Oberverwaltungsgericht (OVG) Weimar einen Rechtsstreit an die Zivilgerichte verwiesen, wohingegen sich das OVG Koblenz für zuständig erklärte und in der Sache entschied. Eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es bislang nicht. Voraussichtlich werden weitere Instanzgerichte für zusätzliche offene Fragen sorgen. Umso wichtiger ist es, sowohl als ausschreibende Vergabestelle (z.B. Stadt, Kommune, Kommunalunternehmen oder Stadtwerk) als auch als Bewerber im Ausschreibungsverfahren rechtlich auf der sicheren Seite zu sein und die Vielzahl an Verfahrensvorschriften zu berücksichtigen.
TK-Mindestversorgungsverordnung (TKMV), ein Glasfaserkiller?
Mit dem TK-Modernisierungsgesetz 2021 wurde auch im Rahmen des § 157 TKG das Recht auf eine Mindestversorgung mit Telekommunikationsdiensten eingeführt. Das Ganze wurde an die bisherigen Regelungen des Universaldienstes (die uns einst jede Menge Telefonzellen bescherten) angelehnt. Entsprechend § 157 Abs. 3 TKG wurde nun mit der Zustimmung des Bundesrates die TK-Mindestversorgungsverordnung (TKMV), rückwirkend zum 1.6.2022, auf den Weg gebracht. Sie regelt den Anspruch auf eine Mindestversorgung für Internetdienste über 10 Mbit/s im Download und im Upload 1,7 Mbit/s und für Sprachkommunikationsdienste über symmetrische 64 Kbit/s, beides bei einer Latenz von 150 Ms. Schöpfer der TKMV ist die Bundesnetzagentur (BNetzA).
Die Praxistauglichkeit dieser Mindestanforderungen in einem Mehrpersonenhaushalt in Zeiten von Online-Unterricht und Home-Office wegen der geringen Downloadgeschwindigkeit darf bezweifelt werden. Die BNetzA hat bereits angekündigt, dass die Bandbreite schrittweise angehoben werden soll. Dies lässt sich wohl damit erklären, dass momentan noch rund 330.000 Haushalte mit einem Anschluss von unter 16Mbit/s versorgt sind. Die Anzahl der potenziellen Anspruchsinhaber dürfte die Behörden und auch die nach § 161 TKG verpflichteten TK-Unternehmen vor eine große Aufgabe stellen.
Die Kritik der Telekommunikationsunternehmen zielt indes auf auf die „hohen“ Anforderungen an die Latenz ab. Satellitenlösungen mit ausreichenden Bandbreiten können in der Regel nicht die Latenzvorgaben einhalten (abgesehen von erdnahen Satelliten), was einen zwingenden Festnetzausbau zur Folge haben wird. Die BNetzA behält sich lediglich für Einzelfälle vor, von der Latenzvorgabe abzuweichen. Aufgrund der begrenzten Baukapazitäten wird befürchtet, dass der Ausbau von gigabitfähigen Netzen im Falle der Durchsetzung der Mindestversorgungsansprüche erheblich behindert werden würde.
Klar ist auch, dass die Mindestversorgung in absehbarer Zeit kein Recht auf flächendeckende Bereitstellung von Gigabitnetzen bewirken wird. Gleichwohl ermöglicht das Regelungsgefüge, aktive Telekommunikationsunternehmen vor Ort auch dazu zu verpflichten, unterversorgte Adressen anzuschließen und auf dem Level der Mindestversorgungsvorgaben zu bedienen. Die Kosten können dann auf alle Telekommunikationsunternehmen am Markt umgelegt werden. Ob es so weit kommen wird, bleibt unklar. Zwar ging der Gesetzgeber davon aus, dass die novellierte „TK-Grundversorgung“ künftig Anwendung findet, allerdings wird sich erst ab 2023 zeigen, wie viele weiße und graue Flecken verbleiben, wenn erst einmal die Aufgreifschwelle für die Fördermittel entfällt. Gut möglich, dass die TKMV wie der Universaldienst nach dem TKG alte Fassung in Bezug auf den Internet-Access lediglich ein Papiertiger bleibt.
TK-Regulierung und Infrastrukturatlas: Bleibt alles beim Alten?
Die BNetzA hat der EU-Kommission kürzlich auch ihr Ergebnis einer Konsultation zur künftigen Glasfaser-Regulierung der Telekom vorgelegt. Dabei geht es in erster Linie um den Zugang zur letzten Meile, insbesondere Leerrohrnetzen. Der Zugangsanspruch ist nicht neu, interessant ist allerdings, dass sich die Zugangsentgelte an den allgemeinen Regulierungsvorschriften des Teil 2 des TKG orientieren werden.
Hierbei soll auch der Infrastrukturatlas (§ 79 TKG) wieder eine Rolle spielen. Im Rahmen der für die Weiterführung des Infrastrukturatlasses nach der TKG-Novelle erforderlichen Neuverpflichtungen fordert die BNetzA aktuell wieder Versorgungsnetzbetreiber zum Abschluss neuer Verträge über die Datenlieferung auf. Wer sich weigert, sieht einer Verpflichtung durch Verwaltungsakt entgegen. Bestimmte Daten können aber nach wie vor von der Veröffentlichung im Infrastrukturatlas ausgenommen werden, was sich im Rahmen einer vertraglichen Lösung leichter bewerkstelligen lässt.
Was die weitere Regulierung zu Kupfer- und Glasfasernetzen der Telekom betrifft, setzt die BNetzA die „Regulierung light“ fort: Soweit die Telekom ihr Commitment-Modell (freiwillige kommerzielle Zugangsverträge, u.a. mit Vodafone, Telefónica und 1&1) zum Glasfasernetz aufrechterhält, wird sie dort weniger streng reguliert. Beim Kupferzugang wird es ebenfalls kaum Bewegung geben, die Zugangsentgelte bleiben zumindest bestehen.
Die Branchenverbände sehen in der Regulierungspraxis der BNetzA bereits Gefahren bei der Migration von Kupfer auf Glasfaser und befürchten eine Übertragung des Kupfermonopols der Telekom in die Glasfaserwelt. Es bleibt abzuwarten, ob sich die BNetzA noch einmal bewegen wird. Die turnusmäßige Marktanalyse, die als Regulierungsbasis herangezogen wird, steht jedenfalls bevor.
Ansprechpartner*innen: Axel Kafka/Julien Wilmes-Horváth/Marco Metz/Robert Grützner
PS: Sie interessieren sich für dieses Thema? Dann könnte unsere Webinarreihe Glasfaserausbau und digitale Netzinfrastrukturen interessant für Sie sein.