Hessen schaltet striktes Subsidiaritätsprinzip ab

(c) BBH
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CDU und Grüne wollen die Hessische Gemeindeordnung (HGO) ändern. Ein neuer Gesetzesentwurf der beiden Landtagsfraktionen vom 25.3.2014 (LT-Drs. 19/250) sieht in § 121 Abs. 1a HGO vor, dass „auf dem Gebiet der Erzeugung, Speicherung und Einspeisung erneuerbarer Energien sowie der Verteilung von elektrischer und thermischer Energie bis zum Hausanschluss“ eine Ausnahme von der Subsidiaritätsklausel gelten soll. Mit anderen Worten: Kommunen sollen sich nunmehr auch im Netzbetrieb wirtschaftlich betätigen können, egal ob das Private genauso gut oder besser können. Das gleiche gilt für den Breitbandausbau.

Grundsätzlich müssen Kommunen, wenn sie sich wirtschaftlich betätigen wollen, die sogenannte Schrankentrias des § 121 Abs. 1. S. 1 HGO einhalten: öffentlicher Zweck, angemessenes Verhältnis, Subsidiarität. Eine wirtschaftliche Betätigung der Kommunen unterliegt demnach dem strikten Subsidiaritätsprinzip gemäß § 121 Abs. 1 Nr. 3 HGO, soweit nicht eine Ausnahme für Bestandsunternehmen nach § 121 Abs. 1 Satz 2 HGO vorliegt. Der bisherige § 121 Abs. 1a HGO sah eine – sehr enge – Ausnahme für Kommunen vor, die Erneuerbare Energien erzeugen, speichern und einspeisen sowie hieraus gewonnene Wärme verteilen. Zudem war hierbei zusätzlich eine Betätigung innerhalb des Gemeindegebiets oder im regionalen Umfeld in der Form der interkommunalen Zusammenarbeit und unter Beteiligung privater Dritter vorgeschrieben. Die Beteiligung der Gemeinde sollte hierbei einen Anteil von 50 Prozent nicht übersteigen. Eine Ausnahme von der Subsidiaritätsklausel für „kommunalen“ Netzbetrieb war hiernach nicht vorgesehen.

Manche Stimmen im Schrifttum sahen eine weitergehende energiewirtschaftliche Ausnahme gar nicht für notwendig an: Die Subsidiaritätsklausel diene dem Schutz der Privatwirtschaft. Soweit das Verhältnis zur Privatwirtschaft jedoch abschließend, bundesrechtlich geregelt sei, könne eine landesrechtliche Regelung zum Schutz des Verhältnisses zur Privatwirtschaft dahinstehen. So wäre es gerade im Bereich des Netzbetriebes nach § 46 Abs. 2 EnWG.

Dies kann nach dem Änderungsentwurf nunmehr dahinstehen. Die Entwurfsbegründung zielt ausweislich auf wirtschaftliches Engagement im „Verteilernetzbereich“ ab. Die Erleichterung bezieht sich auf Verteilernetze bis zum privaten Anschluss des Endabnehmers. Der vom Subsidiaritätsprinzip geschützte Leistungsbereich des Handwerks und der mittelständischen Wirtschaft bleibt damit unangetastet.

Eine derartige Änderung ist grundsätzlich zu begrüßen, da sie Gemeinden erleichtert, sich im Verteilernetzbereich wirtschaftlich zu betätigen, ohne den Schutz der Privatwirtschaft zu unterwandern. Soll ein kommunales Unternehmen tatsächlich Netzbetrieb durchführen, ist auch hier die Durchführung eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens notwendig (BGH-Urteile: wir berichteten).

Ob die bisherige Entwurfsfassung beibehalten wird, wird das weitere Gesetzgebungsverfahren zeigen. Zwei Änderungsanträge sehen bereits vor, die Hürden für wirtschaftliche Betätigung der Kommune in den Bereichen der Daseinsvorsorge weiter zu senken (LT-Drs. 19/291 und LT-Drs. 19/359). In jedem Fall wäre aus kommunaler Sicht eine weitergehende Erleichterung im Bereich energiewirtschaftlicher Betätigung wünschenswert. So sieht beispielsweise § 107a Abs. 1 GO NRW eine weitergehende Ausnahme für wirtschaftliche Betätigung in den Bereichen Strom-, Gas- und Wärmeversorgung vor. Diese dient demnach immer einem öffentlichen Zweck und ist dann zulässig, wenn sie nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde steht. Darüber hinaus werden sogar verbundene Dienstleistungen von einer derartigen Privilegierung erfasst. Gerade in den Bereichen der Wasserversorgung und weiteren Geschäftsfeldern der Energieversorgung (beispielsweise Vertrieb) wäre jedoch eine zusätzliche Lockerung aus kommunalwirtschaftlicher Sicht sinnvoll.

Ansprechpartner: Daniel Schiebold

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