Bundeskartellamt prüft erweiterte Anmeldepflicht künftiger Fusionen in der Recyclingwirtschaft

In einer Pressemitteilung vom 19.1.2022 gab das Bundeskartellamt (BKartA) bekannt, eine weitere Sektoruntersuchung in der Entsorgungswirtschaft einzuleiten. Es prüft nun die Möglichkeit, zukünftig auch kleinere Übernahmen zu kontrollieren.

Hintergrund

Eine Anmeldepflicht zur behördlichen Kontrolle gilt grundsätzlich erst, wenn  die fusionierenden Unternehmen eine bestimmte Umsatzschwelle überschreiten. Seit der 10. Novelle (wir berichteten) des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) besteht jedoch mit dem § 39a GWB die Möglichkeit, marktstarke Unternehmen zu verpflichten, auch Zusammenschlüsse mit kleineren Unternehmen, die weniger als die bislang erforderlichen 17,5 Mio. Euro Jahresumsatz erzielen, beim BKartA anzumelden.

Dies knüpft der § 39a GWB an mehrere Voraussetzungen: Das marktstarke Unternehmen muss einen bundesweiten Anteil von mehr als 15 Prozent der Umsätze in dem betroffenen Wirtschaftszweig erreichen und das zu erwerbende Unternehmen muss im letzten Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mindestens 2 Mio. Euro (davon mindestens zwei Drittel im Inland) erzielt haben. Zudem müssen objektiv nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Wettbewerb in dem entsprechenden Wirtschaftszweig durch künftige Zusammenschlüsse erheblich behindert werden könnte. Schließlich ist erforderlich, dass zuvor eine Sektoruntersuchung gem. § 32e GWB durchgeführt wurde.

Erneute Sektoruntersuchung

Erst am 21.12.2021 veröffentlichte das BKartA seinen Abschlussbericht der letzten Sektoruntersuchung zur Erfassung von Haushaltsabfällen über den Zeitraum von 2006 bis 2018. Darin deckte es eine seit 2014 fortschreitende Konzentration und abnehmenden Wettbewerb (wir berichteten) in allen Bereichen auf. Die neu eingeleitete Untersuchung soll die daraus gewonnenen Erkenntnisse aktualisieren und vor dem Hintergrund der Voraussetzungen des § 39a GWB konkretisieren. Das BKartA hat angekündigt, in diesem Rahmen zunächst die 15 wichtigsten Wettbewerber der Remondis in den Bereichen Haushaltsmüll, Restmüll, Biomüll und PPK (Papier, Pappe, Karton) zu befragen und außerdem die Bereiche Verpackung und Glasaufbereitung in den Blick zu nehmen.

Marktführer Rethmann/Remondis im Visier des BKartA

Nach den bisherigen Erkenntnissen des BKartA ist der Entsorgungsmarkt regional konzentriert und der Wettbewerb von der gefestigten Marktstellung einiger großer Entsorgungsunternehmen geprägt. Daneben sind teilweise kleinere und mittelständische Unternehmen in regional begrenztem Umfang aktiv, die jedoch nach und nach von den größeren aufgekauft werden. Insbesondere die Rethmann-Tochter Remondis hat im Untersuchungszeitraum einen weiten Vorsprung zu allen anderen Wettbewerbern ausgebaut. Ihren letzten größeren Übernahmeversuch der Trägergesellschaft des Grünen Punkts hat das BKartA daher im Jahr 2019 untersagt (wir berichteten). Seither hat das Unternehmen aber zahlreiche kleinere Entsorger geschluckt und erst jüngst die weiteren Übernahmen der in Osnabrück tätigen Levien Industrieentsorgung Rohstoffrecycling GmbH und der in der Klärschlammentsorgung tätigen IAA Ingenieurgesellschaft für Abfall und Abwasser mbH & Co. KG vollzogen.

Abhängig von den Ergebnissen der neuen Untersuchung könnte das BKartA zukünftig auch derartigen kleineren Übernahmen des Marktführers in der Recyclingwirtschaft einen Riegel vorschieben.

Ansprechpartner*innen: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Tigran Heymann

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