Was ist von einer neuen Regierung für das Vergaberecht zu erwarten?

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Am 7.2.2018 haben CDU/CSU und SPD ihre Koalitionsverhandlungen abgeschlossen und einen Koalitionsvertrag vorgelegt (wir berichteten). Das Papier behandelt zahlreiche politische Zukunftsthemen, zu denen es das künftige Regierungshandeln festlegt – so die SPD-Basis nach den Turbulenzen der letzten Tage dem ausgehandelten Vertrag zustimmt. Das Vergaberecht steht sicherlich nicht im Zentrum der künftigen Regierungsarbeit. Dennoch lohnt ein Blick auf die dort immerhin getroffenen Festlegungen.

Zwei Aussagen fallen ins Auge. Zunächst wird eine strukturelle Maßnahme angekündigt:

„Die öffentliche Beschaffung ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Öffentliche Aufträge müssen mittelstandsfreundlich ausgeschrieben werden. Zur weiteren Vereinheitlichung des Vergaberechts prüfen wir die Zusammenführung von Verfahrensregeln für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen einerseits und von Bauleistungen andererseits in einer einheitlichen Vergabeverordnung.“

Dass die öffentliche Beschaffung den Mittelstand fördern soll, ist als solches kein Novum, sondern vielmehr bereits seit vielen Jahren in § 97 Abs. 4 GWB festgehalten. Das wichtigste Mittel dafür ist die grundsätzliche Verpflichtung,  Aufträge in Fach- und Teillose aufzuteilen (§ 97 Abs. 4 Satz 2 GWB). Hiervon kann lediglich abgewichen werden, wenn technische oder wirtschaftliche Gründe dies erfordern (§ 97 Abs. 4 Satz 3 GWB). Ferner enthält das Gesetz eine Regelung für die Fälle, in denen ein Unternehmen mit der Durchführung öffentlicher Aufgaben betraut wird, Unteraufträge mittelstandsfreundlich nach den Regeln des § 97 Abs. 4 Satz 1 bis 3 GWB auszuschreiben (§ 97 Abs. 4 Satz 4 GWB).

Einheitliches Vergaberecht

Bedeutender ist aber die Ankündigung, die Verfahrensregeln für die Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen einerseits und Bauleistungen andererseits in einer einheitlichen Vergabeverordnung zusammenzuführen. Erstere sind gegenwärtig vollumfänglich im Nichtsektorenbereich in der Vergabeverordnung (VgV) geregelt. Für die Vergabe von Bauleistungen gilt dagegen der 2. Abschnitt der VOB/A.

Dieses Ziel ist uneingeschränkt zu begrüßen. Die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft/Europäischen Union unterscheiden schon lange nicht mehr nach der Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen. Dies gilt auch für die heutige Richtlinie 2014/24/EU. Im Sektorenbereich gibt es ohnedies keine Trennung, da hier in Umsetzung der Richtlinie 2014/25/EU einheitlich die Sektorenverordnung (SektVO) gilt.

Schon in der Vergaberechtsreform 2016 hatte der Gesetzgeber keine Veranlassung mehr gesehen, freiberufliche Leistungen gesondert in der VOF zu regeln. Dabei hätte er eigentlich auch schon die Bauvergaben integrieren können. Leider haben die Einflüsse der Bauwirtschaft, die sich auch im Vergabe- und Vertragsausschuss für Bauleistungen widerspiegeln, dies bislang verhindert.

Dass sich dies jetzt zu ändern scheint, ist gerade für Rechtsanwender, die unterschiedlichste Vergaben im Bau- und Dienstleistungs- bzw. Lieferbereich durchführen und die mit teilweisen unterschiedlichen Regelungen hantieren müssen, höchst erfreulich. Bauspezifische Regelungen könnten durchaus ebenso wie bislang die Sonderregelungen etwa für Planungswettbewerbe (§§ 69 ff. VgV) bzw. für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen (§§ 73 ff. VgV) in einem gesonderten Abschnitt oder Unterabschnitt geregelt werden.

Arbeitnehmerschutz beim Leistungsübergang

Eine weitere Festlegung in der Koalitionsvereinbarung lautet:

„Wir werden die gesetzlichen Regelungen zum Vergaberecht so anpassen, dass die Landkreise und Kommunen die Weiterbeschäftigung der bisherigen Beschäftigten beim Leistungsübergang im ÖPNV auf andere Betreiber zu den bestehenden Arbeits- und Sozialbedingungen vorschreiben können.“

Vor dem Amtsgericht Cottbus (hierzu Günter, IR 2018, 273) hat es dazu ein Verfahren gegeben, das überregional Aufsehen erregt und die Notwendigkeit,  beim Auftragsübergang im Hinblick auf die Weiterbeschäftigung von im ÖPNV tätigen Arbeitnehmern aktiv zu werden, deutlich gemacht hat. Welche gesetzlichen Regelungen über die bereits in § 131 Abs. 3 GWB hinaus hier getroffen werden können, wird die Zukunft zeigen.

Ansprechpartner: Dr. Roman Ringwald/Dr. Sascha Michaels

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