Umsatzsteuerkarusselle bei dem Handel mit Strom und Gas?

(c) BBH
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Wird auch der grenzüberschreitende Handel mit Strom und Gas zum Umsatzsteuerbetrug benutzt? Beim Emissionshandel wurden solche so genannten Umsatzsteuerkarusselle mehrfach aufgedeckt. Auch beim Strom- und Gashandel ermitteln offenbar die Behörden.

Ein Umsatzsteuerkarussell beginnt mit dem Kauf von Strom und Gas im europäischen Ausland ohne Umsatzsteuer. Bei der weiteren Veräußerung fiel dann bis zu der Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens (wir berichteten) ab September 2013 19 Prozent Umsatzsteuer an, die dann vom Erwerber als Vorsteuer abgezogen werden konnte. Das Umsatzsteuerkarussell schließt sich dann nach einer langen Kette inländischer Veräußerungsgeschäfte, um die Behörden zu verwirren und die Spuren zu verwischen, indem die Ware wieder ins europäische Ausland verkauft wird, mit Erstattung der Steuer vom deutschen Finanzamt. In der Kette der Veräußerungsgeschäfte können typischerweise auch Unternehmen eingebunden sein, die ihre Rolle nicht kennen, also nicht wissentlich Teil des Umsatzsteuerkarussells werden.

Problematisch wird es dann, wenn solche ahnungslosen Unternehmen von den Finanzbehörden und der Staatsanwaltschaft mit dem Vorwurf konfrontiert werden, (grob) fahrlässig nicht erkannt oder sogar billigend in Kauf genommen zu haben, Teil des Karussells geworden zu sein. Denn dann wird das Finanzamt den Unternehmen regelmäßig zunächst den Vorsteuerabzug verwehren. Dies kann beispielsweise passieren, indem behauptet wird, dass das betroffene Unternehmen der Energiebranche keine ausreichenden Kontrollsysteme hatte, um den Geschäftspartner zu identifizieren (sog. Know-Your-Customer-Prozess).

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich Unternehmen der Energiebranche in einem aus Beweisgründen entsprechend dokumentierten Prozess mit ihren Geschäftspartnern auseinandersetzen. Ein standardisierter Know-Your-Customer-Prozess zielt vor allem darauf ab, die Integrität des Geschäftspartners festzustellen. Ein solcher Prozess sollte regelmäßiger Bestandteil eines umfassenden Compliance-Management-Systems sein. Zudem sollten die Unternehmen entsprechende Verhaltensregeln einführen, die bei einem überraschenden Besuch der Staatsanwaltschaft zu beachten sind (wir berichteten dazu hier, hier und hier).

Um eine unfreiwillige Karussellfahrt zu vermeiden, gibt es also glücklicherweise eine ganze Reihe von Maßnahmen, die Unternehmen wirkungsvoll einsetzen können.

Ansprechpartner BBH: Prof. Dr. Ines Zenke/Dr. Christian Dessau
Ansprechpartner invra: Jürgen Gold /Thomas Straßer

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