Wir müssen reden…

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(c) Martin Beckmann

Als regelmäßige/r Leser/in unseres Blogs riechen Sie die Lunte sicher schon, bevor Sie den 1. Satz dieses Beitrages zu Ende gelesen haben. Wenn wir Sie direkt anreden, dann hat das meistens damit zu tun, dass wir Sie möglichst schonend darauf vorbereiten möchten, dass Sie nun ein paar Wochen ohne die tägliche Lektüre unseres Blogs auskommen müssen. Reden wir also nicht lange drum rum: Wir gehen mit diesem Beitrag in unsere traditionelle Sommerpause. Aber nicht ohne die letzten Monate noch mal mit Ihnen Revue passieren zu lassen und gleichzeitig nach vorne zu schauen.

Nun liegt es in der Natur der Sache, dass das Spannungsfeld zwischen Politik und Wirtschaft kontinuierlich neue Themen produziert, über die trefflich diskutiert werden kann und wird. Einer Behauptung, die letzten Monate seien turbulent gewesen, wohnt deshalb immer auch ein gewisser tautologischer Moment inne. Klar, Wirtschaftspolitik ist immer spannend, immer kontrovers und immer ein Stückweit unvorhersehbar. Aber ganz ehrlich? Das erste Halbjahr 2019? Diesmal sind wir wirklich platt. Sie bestimmt auch, oder?

Nachdem im Dezember 2018 der Bundesrat dem Energiesammelgesetz final zugestimmt hatte, konnte das neue Jahr direkt mit einer Kaskade tiefgreifender energierechtlicher Änderungen beginnen. Besonders betroffen waren das EEG und das KWKG.

Geringe Stromverbräuche Dritter müssen nicht mehr abgegrenzt, sondern können dem Stromverbrauch eines Letztverbrauchers zugeordnet werden. Allerdings hat es der Gesetzgeber versäumt, diese Bagatellverbräuche eindeutig zu quantifizieren. Jenseits von Bagatellverbräuchen muss an Dritte weitergeleiteter Strom durch mess- und eichrechtskonforme Messeinrichtungen klar abgegrenzt werden. Statt einer Messung ist es erlaubt, diese Menge zu schätzen, wenn die Abgrenzung technisch unmöglich ist oder mit einem unvertretbaren Aufwand verbunden ist. Wann dies genau der Fall ist, bleibt allerdings offen. Für die Unternehmen, die von der Besonderen Ausgleichsregelung profitieren möchten, bleiben damit zahlreiche wichtige Details für die Antragstellung beim BAFA uneindeutig.

Für KWK-Anlagen mit Dampfsammelschienen wurde ein weiter Anlagenbegriff eingeführt. Die bisherige Verwaltungspraxis des BAFA, die eine blockweise Betrachtung von Kraftwerken zuließ und damit besonders die Förderung von Modernisierungsmaßnahmen erleichterte, wurde damit gesetzlich abgeschafft. Ein harter Brocken für die KWK-Branche.

Ebenfalls am 1.1.2019 und mit einem Jahr Verspätung hat das Regionalnachweisregister des Umweltbundesamts seinen Betrieb aufgenommen.

Ende Januar ging der Vorhang auf für die Fusionskontrolle E.ON/RWE/innogy. Während die EU-Kommission für den Bereich Erzeugung im Laufe des Verfahrens grünes Licht gab und das Bundeskartellamt bei der Übernahme der 16,67-Prozent-Beteiligung an E.ON durch RWE keine Bedenken äußerte, ist die Kommission für den Bereich Netze und Vertrieb in das Hauptprüfverfahren eingestiegen. Die Frist für eine finale Entscheidung wurde dabei mehrmals verlängert, aktuell hat die Kommission bis zum 20.9.2019 Zeit, um sich ein ganzheitliches Bild über die Auswirkungen einer möglichen Fusion auf den Markt zu machen.

Tja, und dann hat es die Kohlekommission doch tatsächlich geschafft, sich auf einen Ausstiegsplan für die Kohleverstromung zu einigen. Von 2020 bis 2022 sollen 7 GW Kohlekraftwerkskapazitäten zusätzlich abgeschaltet werden. Bis zum Jahr 2030 sollen insgesamt dann nur noch 17 (von heute ca. 45) GW Kohlekraftwerkskapazitäten am Netz verbleiben. Spätestens 2038 soll dann Schluss sein mit der Kohle. Nun müssen die Ergebnisse noch in ein Kohleausstiegsgesetz gegossen werden, das nach der Sommerpause auf den Weg gebracht werden soll.

Damit sind wir auch gleich beim heißesten Eisen des 1. Halbjahres 2019: Der Kontroversen-Oscar geht an das Klimaschutzgesetz. Den Entwurf hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze im Februar nonchalant aus dem Ärmel geschüttelt und für reichlich Diskussionsstoff zwischen den Ministerien gesorgt. Einigung soll nun das Klimakabinett bringen, so dass noch bis Ende des Jahres ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden kann. Man darf gespannt sein, mit Hilfe welcher Instrumente die aus Europa vorgegebenen 38 % Treibhausgas-Einsparungen im Non-ETS-Bereich schließlich erreicht werden sollen.

Der Emissionshandel jedenfalls geht 2021 in die 4. Handelsperiode und die Antragstellung für CO2-Zertifikate für die erste Hälfte (2021 bis 2025) ist am 29.6.2019 abgelaufen. Ob die Bereiche Verkehr und Gebäude zukünftig unter das Regime des ETS fallen oder eigenen CO2-Preis bekommen ist eine Frage, auf die wir dann wohl nach der Sommerpause eine Antwort bekommen werden.

Ein weiterer Paukenschlag kam dann Ende März: Das EEG 2012 ist keine Beihilfe, so das überraschende, aber hoch willkommene Urteil des EuGH. Der deutsche Gesetzgeber bekommt damit einen deutlich breiteren Gestaltungsrahmen für die weiteren energiepolitischen Weichenstellungen. Das Urteil könnte außerdem bei der Frage von Bedeutung sein, ob die Rückforderung der EU-Kommission von Netzentgeltbefreiungen für stromintensive Unternehmen aus den Jahren 2012/2013 legitim ist. Eine entsprechende Klage liegt nun beim Europäischen Gericht.

Die Bundesnetzagentur hat im März fünf Festlegungen für ein bundesweit einheitliches Netzentgelt aller Fernleitungsnetzbetreiber getroffen, was für Gashändler und Gas-Verteilnetzbetreiber gleichermaßen interessant sein dürfte. Wer Strom ins Netz einspeist, muss sich seit April an die neuen Technischen Anwendungsregeln (TAR) des Elektrotechnik-Verbands VDE halten. Betroffen sind nicht nur Erzeugungsanlagen, sondern auch Bezugs- und Speicheranlagen sowie Anlagen für Elektromobilität. Stromspeicherbetreiber schließlich sind durch einen Beschluss der Bundesnetzagentur im Mai einen Schritt weiter gekommen, zu denselben Bedingungen am Regelmarkt teilnehmen zu dürfen wie andere Anlagenbetreiber.

Ach so, und dann hatte sich ja noch bewahrheitet, dass es für die Erarbeitung eines Gebäudeenergiegesetzes keine eigens dafür eingesetzte Gebäudekommission bedarf. Den Verzicht auf ein solches Gremium hatte die Bundesregierung bereits im Februar bekannt gegeben, der Entwurf für ein GEG kam immerhin noch vor der Sommerpause Ende Mai. Tendenz: Alles bleibt beim Alten. In Kraft treten soll das Gesetz aber noch in 2019.

Interessant für einen Rückblick ist natürlich auch immer, was gerade nicht passiert ist. So dürfen wir z.B. weiter auf den vor langer Zeit angekündigten Smart-Meter-Rollout warten. Zwar ist das erste Gateway Ende 2018 zertifiziert worden, die weiteren zwei Zertifizierungen, die Voraussetzung für den Roll-Out sind, stehen allerdings noch immer aus.

Vieles wurde im 1. Halbjahr 2019 angestoßen, das nach der Sommerpause fortgesetzt werden muss. Wir freuen uns darauf, die Fäden mit Ihnen dann wieder aufzunehmen und gemeinsam über die neuesten spannenden Entwicklungen zu diskutieren. Gelegenheiten gibt es zu Hauf, z.B. im Rahmen unseres Symposiums „Wirtschaft und Energie in der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts“ oder unserer Jahreskonferenz mit dem Titel „Die Infrastruktur von morgen“. Am 26./27.9.2019 veranstaltet die GEODE ihre mittlerweile 25. Energiewirtschaftliche Weinlese in Meisenheim. Und auch einen Parlamentarischen Abend wird es in diesem Jahr von uns noch geben, und zwar am 4.11.2019 – hier zur Cyberkriminalität. Das ist ja die eigentliche Herausforderung, die noch auf Sie lauert…

Für den Moment aber wünschen wir Ihnen erst mal dieselbe verdiente Auszeit, die wir uns auch selbst gönnen. Bis bald!

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